Definition Nachhaltigkeit: Kritik des Drei-Säulen-Modells aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit

Kritik am Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Definition Drei-Säulen-Modell: ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit

Eine Definition die sich weit verbreitet hat ist das Drei-Säulen-Modell. Teilweise wird dieses Modell auch als Nachhaltigkeitsdreieck bezeichnet.Es wurde 1998 im Abschlussbericht der Enquete Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt – Ziele und Rahmenbedingungen einer nachhaltig zukunftsverträglichen Entwicklung“ vorgestellt. Um Nachhaltigkeit zu erfassen, wurden drei Dimensionen definiert: ökologische, soziale und ökonomische Nachhaltigkeit. Durch Handlungsziele in allen drei Dimensionen soll sichergestellt werden, dass die heutige Gesellschaft nicht auf Kosten der Enkel und Urenkel lebt.
Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit: Ökologie, Soziales und Ökonomie stehen gleichberechtigt nebeneinander, was zu viel Kritik führt
Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit: Ökologie, Soziales und Ökonomie stehen gleichberechtigt nebeneinander, was zu viel Kritik führt

Ökologische Nachhaltigkeit

  • erneuerbare Ressourcen sollen nur in dem Maße ausgebeutet werden, wie sie nachwachsen
  • nicht-erneuerbare Ressourcen sollen nur in einem Umfang verbraucht werden, wie diese gleichzeitig durch erneuerbare Ressourcen ersetzt werden können
  • Umweltverschmutzung und Treibhausgasemissionen sollen sich im Rahmen der Aufnahmekapazität der Umweltmedien bewegen
  • Gefahren für die menschliche Gesundheit durch anthropogene Einwirkungen sollen vermieden werden

 Ökonomische Nachhaltigkeit

  • persönliche Initiative soll gefördert werden
  • Eigeninteresse soll in den Dienst des Gemeinwohls gestellt werden
  • Preise sollen eine Lenkungsfunktion auf dem Markt wahrnehmen: sie sollen Knappheit der Ressourcen, Produktionsfaktoren, Güter und Dienstleistungen wiedergeben
  • Wettbewerb ist so zu gestalten, dass funktionierende Märkte entstehen, die durch Innovationen die Anpassung an zukünftige Erfordernisse gewährleistet
  • ökonomische Leistungsfähigkeit einer Gesellschaft sollen qualitativ und quantitativ gesteigert werden oder zumindest konstant gehalten werden

Soziale Nachhaltigkeit

  • Menschenwürde und Entfaltung der Persönlichkeit für jetzige und zukünftige Generationen
  • jedes Mitglied der Gesellschaft erhält Leistungen aus den sozialen Sicherungssystemen (nach geleisteten Beiträgen oder nach Bedürftigkeit)

Kritik des Drei-Säulen-Modells der Nachhaltigkeit

Alle drei Dimensionen diese Modells der Nachhaltigkeit weisen Schwachstellen auf. Allgemein sind die Formulierungen ungenau, weshalb es schwierig ist konkrete Handlungsmöglichkeiten aus dem Modell abzuleiten. Auch über die Art und Weise, wie die Änderung unserer Gesellschaft durch nachhaltige Entwicklung erreicht werden kann, bleibt unklar.
Hier die wichtigsten Punkte der Kritik vom Nachhaltigkeitsdreieck / Drei-Säulenmodell:

1. Fehlende Priorisierung: ohne intakte Umwelt keine Gesellschaft – Ökologie als Basis für menschliches Leben

Die drei Dimensionen werden als gleichrangig dargestellt. Die Theorie geht zwar davon aus, dass sie integrativ betrachtet werden sollen, doch die Säulen bauen aufeinander auf. Denn ohne eine intakte Natur ist unsere Gesellschaft nicht überlebensfährig. Die Natur versorgt uns mit dem lebenswichtigen Elementen wie saubere Luft, Trinkwasser und fruchtbare Böden für die Landwirtschaft. Die Ökonomie ist die Organisation, wie wir diese Ressourcen nutzen, um Güter herzustellen und diese zu verteilen. Aus diesem Grund wurden verschiedene Modelle abgeleitet, wie z.B. das gewichtete Drei-Säulen-Modell, das Ein-Säulen-Modell oder die Nachhaltigkeitspyramide.

2. Unklare Belastbarkeit der Umweltmedien – wie stark darf die Klimaerwärmung sein?

Nach wie vor ist sich die Wissenschaft uneinig darüber, wie belastbar die Umweltmedien tatsächlich sind. Das komplexe System mit gegenseitigen Abhängigkeiten sind noch nicht komplett verstanden. Aus diesem Grund sind Belastbarkeitsgrenzen eher als begründete Vermutungen anzusehen. Wichtige Schlüsselstellen beim Klimawandel sind die sogenannten „Tipping Points“ – Kipp-Punkte im Klimasystem. Schon eine globale Erwärmung um 1,5 oder 2°C kann so einen Kipp-Punkt auslösen. Die Folgen sind unvorhersehbar tiefgreifenden Änderungen im globalen Klimasystem. Solche Kipp-Punkte sind beispielsweise Methan-Emissionen aus den auftauenden Permafrostböden oder vom Grund der Ozeane, Veränderungen in der ozeanischen Zirkulation im Nordatlantik oder das Schmelzen des Meereises und der Gletscher mit der damit verbundene Abnahme der Albedo (Reflektion von Sonnenstrahlen an weißen Gletscher- und Schneeflächen). Deren Einflüsse auf den Klimawandel sind noch unklar, weshalb genaue Kapazitätsgrenzen nicht formuliert werden können. Aus diesem Grund ist es wichtig sofort zu handeln, weil eine Überschreitung solcher Kipp-Punkte eine Kette von katastrophalen Folgen auslösen könnte.

3. Trugschluss grüner Kapitalismus: Festhalten an marktbasierten Lösungen ist gescheitert

Viele Fakten weisen darauf hin, dass marktbasierte Lösungen (z.B. Einpreisung von Umweltschäden bei der Produktion oder Handel mit Emissionsrechten)  bislang gescheitert sind. Die erhoffte Lenkungsfunktion durch die Preisbildung am Markt hat versagt. Weltweit erleben wir einen globalen Anstieg von umweltschädigenden Konsumstilen: Flugreisen nehmen zu, der Fleischkonsum wächst und die Ausbeutung und Verbrennung von fossilen Energierohstoffen (Erdöl, Erdgas, Kohle) wächst, bis die Lagerstätten erschöpft sein werden.

EU-Emissionshandel mit Verschmutzungsrechten ist bislang gescheitert

Auch der Versuch des Handels mit Emissionrechten, kann durch die viel zu niedrigen Preise als gescheitert angesehen werden. Die Gebühren für den Ausstoß von Treibhausgasen können nur zu einer nachhaltigen Wirtschaft führen, wenn sich für die Wirtschaftsunternehmen die Investitionen für den Klimaschutz auch finanziell lohnen.

Klimaschädliches Konsumverhalten

Auch wenn alle von Nachhaltigkeit reden so gibt es eine große Lücken zwischen der öffentlichen Diskussion und dem tatsächlich nachhaltigem Handeln. Im Alltag ist es aber gar nicht schwer nachhaltig zu leben.
Verschiedene Effekte behindern gar den Umbau zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Eine Erklärung hierfür ist der Rebound-Effekt. Er beschreibt das Phänomen, dass trotz immer besserer Effizienz von Maschinen und Geräten der Ressourcenverbrauch nicht sinkt. Auch das Problem der Geplanten Obsoleszenz wird immer wieder thematisiert. Viele Firmen haben kein Interesse wirklich langlebige Produkte zu produzieren.
Nichtsdestotrotz sind auch trotz besseren Wissens klimaschädliche Hobbys weit verbreitet.

4. Soziale Produktionsstandards spielen bei Kaufentscheidungen kaum eine Rolle

Die Formulierung von sozialen Zielen bei der nachhaltigen Entwicklung ist sehr ungenau. Sie betont die Wichtigkeit von sozialen Sicherungssystemen, doch wie sieht die globale Realität aus? Mindeststandards wie existenzsichernde Löhne, sichere Arbeitsverträge, Kranken- und Rentenversicherung oder ausreichend Arbeitsschutz sind für viele ArbeitnehmerInnen ein unerreichbares Ziel. Im Bericht der International Labour Organisation „Kernarbeitsnormen der ILO – Gute Arbeit weltweit!“ wird aufgezeigt, wie weltweit das Recht auf Koalitionsfreiheit für gewerkschaftliche Arbeit behindert wird und in vielen Ländern immer noch Zwangsarbeit, Kinderarbeit oder Diskriminierung am Arbeitsplatz an der Tagesordnung sind. Da die Lieferketten für die Einzelteile unsere Computer oder T-Shirts über den gesamten Globus laufen, ist es eher die Regel dass bei deren Produktion soziale Mindestsstandards nicht beachtet wurden.

Unsere Billig-Produkte = schlechte Löhne bei der Produktion

Das Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit übersieht hier die Verflechtung einer international agierenden Arbeitsteilung bei der Produktion. Die soziale Arbeitsstandards vom Verkäufer in Deutschland haben nichts mit den fehlenden Standards der Näherinnen in Bangladesh zu tun, die die Jeans nähten, die er verkauft. Durch den geringen Preis der Jeans profitieren wir aber direkt davon, dass die Näherinnen in Bangladesch keinen angemessenen Lohn für ihre Arbeit bekommen. Auch die Umweltschäden, die durch die Produktion der Baumwolle (Brandrodung, Pestizide, Dünger), der Farben und durch den Transport der Hose entstanden sind, werden nicht behoben. Würden Umweltschutz und soziale Mindeststandards mit in den Preis einfließen – würden viele bestimmt weniger Hosen kaufen. Eine Preisbildung, die diese Aspekte berücksichtigt, ist der Faire Handel. Doch dieser führt immer noch ein Nischendasein.
Diese Punkte zeigen auf, dass nachhaltige Entwicklung auf Grundlage des Drei-Säulen-Modells schwer geplant werden kann. Die Ziele sind nicht genau definiert, konkrete Handlungsanweisungen fehlen und es existiert keine besondere Relevanz für die Ökologie. Diese ist aber die Grundlage menschlichen Lebens.

Gewichtetes Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Aus der Kritik des Drei-Säulen-Modells wurde das gewichtete Drei-Säulen-Modell abgeleitet.

Gewichtetes Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit
Gewichtetes Drei-Säulen-Modell der Nachhaltigkeit

Beim gewichteten Drei-Säulen-Modell bekommt die Kultur in Form einer nachhaltigen Lebensweise einen besonderen Stellenwert. Weiterhin stehen alle Säulen auf dem Fundament der Ökologie als wichtigstes Element der Nachhaltigkeit. Nur mit einer intakten Natur in Form von fruchtbaren Böden, sauberes Wasser und stabilen Ökosystemen ist menschliches Leben auf der Erde überhaupt möglich.

Starke Nachhaltigkeit als Ergebnis der Kritik am Drei-Säulen-Modell

Das Konzept der Starken Nachhaltigkeit geht zurück auf Konrad Ott und Ralf Döring. Es legt den Schwerpunkt auf die Ökologie. In der ökologischen Dimension gibt es einen Grundbestand an den Ressourcen der Natur, die geschützt werden müssen: also gesunde Wälder, saubere Gewässer, schadstofffreie Luft.

Diese Ressourcen werden als nicht austauschbar angesehen und sollen erhalten und nach Möglichkeit ausgebaut werden. Austauschbarkeit bedeutet im unkritischen Drei-Säulen-Modell, dass von einer Säule etwas weggenommen werden kann, wenn es einer anderen Säule zugute kommt. Eine weitere Abholzung der Regenwälder (Ökologie) könnte demnach durch weniger Treibhausgase aus Kohlekraftwerken (Ökonomie) kompensiert werden. In der Denkweise der Starken Nachhaltigkeit sind natürlichen Ressourcen nicht austauschbar und müssen deshalb unter allen Umständen geschützt werden. Auch wenn dies zu Lasten der anderen Dimensionen geht. Denn nur eine intakte Natur ist die Grundlage, die es späteren Generation überhaupt erst ermöglicht auf der Erde zu leben.


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Ein Gedanke zu „Definition Nachhaltigkeit: Kritik des Drei-Säulen-Modells aus ökologischer, ökonomischer und sozialer Nachhaltigkeit“

  1. Wir Bilden als Aktivisti bisher hauptsächlich deutlich die Öko-Logische Sparte in unseren Forderungen ab.;
    Dazu erhalten die anderen benannte Säulen noch im Bereich einer möglichen Gesellschaftsentwicklung deutlich weniger Relevanz.
    Politische Nachhaltigkeit im Handeln mehr von allen 3 Säulen zu verbinden, ist um Entwicklungen und Leben auch über die Sichtweise der eigenen Legislaturperiode hinaus zu fördern. Ein Resümee einer Demokratie-AG fände ich daher zuerst mal Flach im Einstieg, allerdings möglichen guten Anfang für wirkliche Auseinandersetzung mit politisch Nachhaltigem Wirken.
    Herzlichst
    Johannes

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