ForFuture – Bildung für nachhaltige Entwicklung als Spiel

ForFuture - Spiel für Bildung für nachhaltige Entwicklung

Das Thema Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) hört sich auf den ersten Blick recht trocken an. Doch eine nachhaltige Entwicklung berührt in vielfältiger Weise unseren Lebensalltag – viel mehr als uns bewusst ist. Doch wie lässt sich Bildung für nachhaltige Entwicklung spielerisch in Schulen oder mit Jugend- oder Erwachsenengruppe vermitteln?

Nachhaltige Entwicklung spielerisch erlernen

Die spielerische Auseinandersetzung mit Lerninhalten fördert die Lust am Lernen und kann ganz andere Perspektiven auf die Lerninhalte ermöglichen. Nichts ist langweiliger als ein Referat über ein Thema zu halten oder hören zu müssen. Ein Spiel ermöglicht Perspektivenübernahme, eigene Zielsetzungen und das Überdenken eigener Handlungsweisen. Zudem zeigt es Komplexität des Themas Nachhaltigkeit mit seinen vier Dimensionen.

Das Spiel ForFuture wurde extra für das Thema Bildung für Nachhaltige Entwicklung konzeptioniert. Adelwin Südmersen vom Bildungsträger Ökohaus ist einer der Spieleentwickler. Im Interview erklärt er die Hintergründe des BNE-Spiels.

ForFuture - Spielset für Bildung für nachhaltige Entwicklung
Spielset ForFuture mit Anleitung und Spielkarten

Klaus Muttray: Hallo Adelwin, kannst du kurz das Spielprinzip von ForFuture beschreiben?

Adelwin Südmersen: Das Spiel ist simpel und hat gleichzeitig Tiefgang. Über Impulskarten lädt das Spiel zum Austauschen, Reflektieren und Weiterdenken ein. Es braucht kein Vorwissen, sondern knüpft an eigenes Wissen, Erfahrungen und Erlebnisse an. Nach dem peer-to-peer-Prinzip erzählen sich die Teilnehmenden individuelle Geschichten auf Augenhöhe und schaffen sich einen eigenen Zugang zu Fragen rund um Aspekte eines sozial-ökologischen Wandels, globaler Klimagerechtigkeit und solidarischer Lebensweise.
Es eignet sich für Jugend- und Erwachsengruppen und bietet mit sechs Spielvarianten, 80 Impuls- und 20 Aufgabenkarten vielfältige Möglichkeiten, es für unterschiedliche Zielgruppen passend zu nutzen. Insbesondere die Aufgabenkarten erweitern die Anwendungsmöglichkeiten durch Gruppen-Positionierung, Upcycling, Musik und Textanalyse, Gruppenrechenaufgaben, Rätsel und Experimente.

Wie kam es ursprünglich dazu, dass ihr dieses Spiel entwickelt habt?

Seit über 25 Jahren führt das Ökohaus e.V. als mobiler Bildungsträger Projekttage zu verschiedenen globalen Themen durch. So ein Tag dauert ca. 4-6 Stunden und ist interaktiv, nah an der Lebenswelt und handlungsorientiert gestaltet. Viele Lehrkräfte haben uns regelmäßig angefragt, ob wir nicht auch Angebote für eine Doppelstunde durchführen können. Das macht in einem Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern aufgrund der langen Fahrtwege aber keinen Sinn und auch nicht wegen Komplexität der Themen, der Gruppendynamik und interaktiven Arbeitsweise des Globalen Lernens.
Mit dem Spiel wollten wir eine Möglichkeit bieten, selbstständig und auch bei wenig Zeit etwas im Kontext von Bildung für Nachhaltige Entwicklung zu machen. Außerdem bestand unsere Motivation auch darin, nicht einfach ein Handbuch oder Online-Materialien zur Verfügung zu stellen, sondern eine haptische Essenz unserer bisherigen Themen und Methoden zu veröffentlichen.

Das Spiel widmet sich ja der Bildung für nachhaltige Entwicklung –
Welche Spielkonzepte und Ziele waren bei der Entwicklung von ForFuture
für dich wichtig?

Wir hatten viele verschiedene Ziele unter einen Hut zu kriegen. Konzeptionell sollte es sehr leicht einsetzbar sein, so dass es sogar in einer Vertretungsstunde kurzfristig genutzt werden kann. Gleichzeitig wollten wir mit den zwölf verschiedenen Kategorien deutlich machen, dass Bildung für nachhaltige Entwicklung thematisch sehr breit ist. Früher wurde das oft beschränkt auf das Reflektieren von Konsumgewohnheiten, aber nach unserer Auffassung gehört da auch die politische und gesellschaftliche Dimension mit dazu.

Einige der Kategorien des BNE-Spiels ForFuture
Einige der Kategorien des BNE-Spiels ForFuture

Mit der Kategorie „Changetivity“ wollten wir beispielsweise Impulse geben, wie wir einzeln oder gemeinsam mitgestalten können. Außerdem wollten wir aktuelle Debatten zum Beispiel zum Thema Rassismus, Kolonialismus und Gender aufgreifen und zur Meinungsbildung beitragen (Kategorie: Was sagt du zu…?). Darüber hinaus war es uns auch wichtig, gesellschaftliche Normalität in Frage zu stellen (Kategorie: Kopfstand), immaterielle Zufriedenheitsquellen fern von Konsum (Kategorie: Wie will ich gelebt haben?) und inspirierende Beispiele aus dem Globalen Süden sichtbar zu machen (Kategorie: Quer über den Globus).

Neben dem Inhalt war uns auch die Art und Weise sehr wichtig: Augenhöhe im Gespräch; kooperativ; Entwicklung eigener Standpunkte in Dialogen, die ergebnisoffen sind und nicht mit richtig oder falsch beantwortet werden; reflexive, aber auch inspirierende Bestandteile sowie den einen oder anderen Aha-Moment sowie Leichtigkeit und Spielspaß.

Wir geben den Teilnehmenden immer folgende Dinge mit auf dem Weg

  • Mut, einfach das zu sagen, was einem in den Kopf kommt,
  • aufmerksames Zuhören, um interessante Reibungspunkte aufzudecken,
  • Vertrauen, dass alle, die da sind, das Spiel bereichern.

In der Beschreibung schreibt ihr, dass das Spiel zu Gedankenexperimenten und Diskussionen ermuntern soll. Hast du ein Beispiel aus der Praxis mit dem Spiel in der Bildungsarbeit, wo dich die Spieldynamik der Spielenden überrascht hat?

Die Frage kann ich nicht so leicht beantworten, da die Gespräche in Kleingruppen passieren und wir vor allem in der Abschlussrunde ein paar O-Töne mitkriegen. Je nach Kleingruppe sind die Erfahrungen ganz unterschiedlich. Generell lebt das Spiel durch die Teilnehmenden.

Wir haben auch mal eine Fortbildung für das Zentrum für Lehrer*innenbildung und Bildungsforschung der Universität Rostock (ZLB) gemacht. Thematisch ging es um berufliche Orientierung. Wir waren durch den Austausch selbst überrascht, dass sich rund 30 Fragen auch für den Komplex Berufsfindung und eigene Stärken eignen. Das ZLB-Team hat die Fragen und Aspekte zur Schnittmenge Berufliche Orientierung und Nachhaltigkeit mit in ihre Bildungsarbeit aufgenommen. Diese Verbindung war uns vorher selbst gar nicht so klar.

Kannst du zum Abschluss noch sagen, welche Erfahrungen ihr in der Praxis gesammelt habt oder an Feedback bekommen habt?

Das Spiel wurde bereits mit vielen verschiedenen Gruppen gespielt: mit Schulklassen, bei internationalen Jugendbegegnungen, bei Online-Fortbildungen für Lehrer:innen, im Stadtteilbegegnungszentrum, beim Dorftreff, mit Kirchgemeinden und in Freundeskreisen.
Ich erinnere mich an einen Abend in der Feldberger Seenplatte, wo ein Teilnehmender im Gruppenhaus am Ende sagte, dass er sich nicht mehr erinnern könne, wann er das letzte Mal so intensiv und querbeet zu den unterschiedlichsten Themen mit anderen Menschen diskutiert habe. „Das müsse in meiner Studienzeit vor 20 Jahren gewesen sein.“.

Vor allem von Lehrer*innen, mit denen wir regelmäßig zusammenarbeiten, haben wir viel gutes Feedback erhalten. Eine Lehrerin aus Güstrow nutzt das Spiel einmal die Woche mit einer Karte, um in den Tag zu starten und gleichzeitig im Gespräch über den Tellerrand zu schauen. Eine andere Lehrerin fand die Aufgabenkarte zum Song „Grenzen“ von Dota Kehr so gut, dass sie die Fragestellung mit zur Rahmenplankommission M-V mitnehmen wollte, um sie dort aufnehmen zu lassen. Ein anderer Lehrer aus Rostock greift immer wieder auf das Spiel zurück, wenn er seine Klassenleiterstunde hat.

Wir freuen uns zu sehen, dass das Spiel so genutzt wird, wie es für den Anlass passend ist. Lehrer*innen berichten dabei auch von persönlichen Aha-Momenten, wie z.B. diese Aussage beim Abschluss einer Fortbildung: „Ich finde da selber so viele Impulse. Das ist nicht für meine Grundschüler, das ist für mich, damit ich immer wieder neu, groß oder auch konkret an diese Themen denke und dann daraus Unterricht vorbereite.“

Vielen Dank für das Interview, Adelwin. Mehr Infos zum Spiel gibt es auf den Seiten vom Ökohaus zu dem BNE-Spiel ForFuture oder direkt beim BELTZ-Verlag.

Fakten zum Spiel ForFuture

Das Spiel wurde für Jugend- und Erwachsenengruppen im Rahmen von Bildung für nachhaltige Entwicklung entwickelt. Es funktioniert aber auch  im Freundeskreis und in der Familie. Das Mindestalter für die Spieler*innen ist 12 Jahre.

Das Spiel besteht aus der Spielanleitung, 2 Sonderkarten und 100 Karten mit Fragen und Aufgaben und wurde nachhaltig produziert:

  • 100% Recyclingpapier
  • mineralölfreie Druckfarben
  • in Deutschland gedruckt
  • robuste Holzverpackung mit Magnetverschluss

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